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10. September 2016

Glauben für sich selbst oder andere

Es besteht der interessanteste Unterschied zwischen Otto Klemperers und John Eliot Gardiner's Einspielung der Missa Solemnis von Ludwig van Beethoven, erstere aus dem Jahr 1965, letztere aus dem Jahr 1989.

Technisch drückt er sich im höheren Tempo von Gardiner's Version aus, aber was dahinter steht ist folgendes:

Der Chor in Klemperers Fassung singt nicht für sich selbst, sondern für die Gemeinde, deshalb läßt er sich Zeit zu Verkündung und Aufruf, während er in Gardiner's im Fluß der eigenen Gefühle treibt.

Genauer gesagt verkündet der Chor in Klemperers das Erbarmen des Herrn, unwürdig wie die Gemeinde auch sein mag, die Ausschüttung findet statt, und anschließend ruft er die Gemeinde dazu auf, Gott die ihm gebührende Ehre zu geben, andernfalls mit Knüppeln nachzuhelfen wäre.

Dementsprechend drückt sich im Credo dann auch nicht die Freude über den eigenen Glauben aus, sondern über die wohlgeordnete Gemeinde.

Und wenn Gardiner im Sanctus zwischen Zärtlichkeit, Gelöstheit und Ekstase als Ausdrucksformen des Geheimnis' des Glaubens pendelt, dann zelebriert Klemperer die gelungene Befriedung im allgemeinen und daß die Gemeinde nun endlich zuhört im besonderen.

Den Abschluß macht das Opfer Jesu, Erdung, Öffnung und Erlösung bei Gardiner und heraufbeschworener, rituell angestochener und ausfüllender Geist bei Klemperer.

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